Chronik:  Fünf Kinos in Bad Lippspringe

Concerthalle Neues Kurband, Foto: Heimatverein Bad Lippspringe
Concerthalle Neues Kurband, Foto: Heimatverein Bad Lippspringe

1918: Die „Kurbad-Lichtspiele“ sind das älteste Kino in Bad Lippspringe.  Sie werden in einem historischen Branchenbuch aus dem Jahr 1920 erstmals erwähnt mit dem Gründungsjahr 1918.  Als Kinosaal diente die Konzerthalle (Foto) mit 300 Plätzen im „Neuen Kurbad“, das sich im Bereich des heutigen Schulzentrums befand.  Die Postanschrift lautete „Dammstraße 3“, die heute daran anschließende Straße „Im Bruch“ hieß damals „Neue-Kurbad-Straße“. Es  gab  zwei bis drei Vorstellungen pro Woche. Betreiber war die Kurbad- und Kurbrunnen-Gesellschaft m.b. H. , geführt von  einem Geschäftsführer namens Rayscher. Nach anderen Quellen hießen die zwei Geschäftsführer Hauptmann a.D. Reyscher und Freiherr Egon von Fürstenberg. Wann der Betrieb endete ist unklar.

Hotel Wegener, Foto: Heimatverein Bad Lippspringe
Hotel Wegener, Foto: Heimatverein Bad Lippspringe

1919: Das „Union-Theater“ nimmt als zweites Kino nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in Bad Lippspringe seinen Betrieb auf.  Nach einem Vermerk aus dem Jahr 1921 finden freitags, samstags und sonntags Vorführungen im Hotel Wegener (Foto) an der Detmolder Straße statt.  Geführt wird das Kino bereits von der Famlie Birwé, die die Spielstätte zum 1. Januar 1925 schließt. Der Saal des Hotels Wegener mit 200 Plätzen war seit dem  18. Jahrhundert außerhalb des Kurbetriebes wohl der größte Versammlungsort der Stadt.  Gezeigt wurden in beiden Kinos der ersten Stunde Stummfilme aus deutscher Produktion und auch wieder aus französischen und US-amerikanischen Studios.

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Foto: Heimatverein Bad Lippspringe

1925: Das „Kurli“ (Kurlichtspiele) an der Bielefelder Straße 2b startet am 16. Januar 1925 zunächst unter dem Namen „Modernes Theater“. Unklar ist, ob mit dem Beiwort „Modern“ signalisiert werden sollte, dass das Kino bereits Tonfilme präsentieren konnte. Dagegen spricht, dass das Ende des Stummfilms in Deutschland erst zwei Jahre nach der Eröffnung einsetzte.  Betreiber des Neubaus mit 300 Plätzen ist Anton Birwé.   Das Foto, eine Postkarte der Pension „Teutonia“ (links im Bild),  stammt aus dem Jahr 1954.  1960  wird das Gebäude abgerissen. Karl und Hella Rummeny eröffnen hier am 13. August 1962 das Restaurant „Zur Quelle“. Ältere Bürger erinnern sich, dass im Kurli bis zum Schluss der „Verkehrskasper“ zu Gast war. Volksschüler und Kindergartenkinder waren regelmäßig zu Gast.  Filmvorführer nach dem Zweiten Weltkrieg waren u.a.  Ernst Ehl  und Erwin Peter.

Parktheater, Foto: Heimatverein Bad Lippspringe
Parktheater, Foto: Heimatverein Bad Lippspringe

1952/1953:  Kurz nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland startet die Familie Birwé ihr drittes Kino, das Parktheater.  Der Neubau entsteht am Friedrich-Wilhelm-Weber-Platz neben dem neuen Rathaus der Stadt. Es hat 525 Plätze und eine Bühne,  die mit 5x4x8 angegeben wird. Inhaber ist Horst Birwé, später Bürgermeister (1966-1971) und Kurdirektor (1971 – 1990)  in Bad Lippspringe. Das Parktheater wird 1976 abgerissen. Der Kinobetrieb war schon  vorher  eingestellt worden. Die letzte kommerzielle Filmvorführung in der Stadt fanf vermutlich im Juni 1974 statt.   Die Luftaufnahme der Spar- und Darlehnskasse (rechts im Bild) stammt aus dem Jahr 1975 .

22. Januar 2003: Nach  knapp 30 Jahren Pause gibt es wieder ein Kino in Bad Lippspringe. Der Bielefelder Film-Freund Frank Becker, der zu diesem Zeitpunkt mit 6000 Filmen der größte private Filmbesitzer in  Nordrhein-Westfalen ist, zeigt im Hörsaal 1 des Lippe-Instituts den deutschen Blockbuster „Aimée und Jaguar“. Becker will damit einen Vorgeschmack auf das geben, was in Bad Lippspringe entstehen könnte, wenn sich genügend ehrenamtliche Filmfreunde für den Betrieb eines Klein-Kinos in der Kurstadt finden. Die knapp 100 Besucher sind hörbar begeistert – auch von der nostalgischen Zeitreise. Der provisorisch aufgebaute Projektor stammt aus dem Jahr 1936.

27. Januar 2003: Im Besprechungsraum im Haus Hartmann treffen sich zum ersten Mal 26 Kinofreunde, um Näheres über das Kinoprojekt zu erfahren und ihre Mitarbeit als
Filmvorführer, im Kartenverkauf, beim Filmtransport oder beim Verkauf von Getränken und Süßigkeiten anzubieten. Der Kur- und Tourismusverein schlägt vor, das Kinoprojekt als Arbeitskreis mit unter sein Vereinsdach zu nehmen. So muss nicht eigens ein e.V. mit allem juristischen Drumherum gegründet werden. Das Medizinischen Zentrum für Gesundheit (MZG) stellt den Hörsaal 1 im Lippe-Institut kostenlos als künftigen Kinosaal zur Verfügung. Jörg Ostermann, Mitarbeiter der Stadtverwaltung, dämpft aber allzu großen Optimismus: Die Kosten zur Umrüstung des Hörsaals in ein Kino (Leinwand, Tontechnik, Filmvorführgerät) beziffert der Verwaltungsfachmann auf 32.000 Euro. Da die Stadt auf einen Zuschuss der Filmförderung in Höhe von 9000 Euro hofft, will die Verwaltung erst die Genehmigung abwarten. Die kommenden Wochen werden deshalb mit einem Notprogramm (ein Film pro Monat) überbrückt. Später soll es wöchentlich, mittwochs und freitags um  20 Uhr, zwei Vorstellungen geben.

Sweet home, Alabama19. März 2003: Mit dem Film „Sweet home Alabama“ zeigen die initiatoren, dass großes Kino in Bad Lippspringe wieder möglich ist. Man muss nur einfach anfangen.  Da kommunale Betreiber keine Gelder von der Filmförderung bekommen, stellt Frank Becker den Antrag und übernimmt damit zunächst die Finanzierung des Klein-Kinos. Die soll so aussehen: Becker bekommt einen städtischen Zuschuss in Höhe von 6000 Euro, weitere 15.000 werden als kommunales Darlehen zur Verfügung gestellt, 9.000 Euro soll die Filmstiftung dazuschießen. Der Arbeitskreis Kino im Kur- und Tourismusverein meldet derweil 25 Mitglieder, hat mit Hartmut Tendies den ersten Organisator der Gruppe und gibt dem Kino auch einen Namen: Odins Filmtheater.

April 2003: Erster kleiner Rückschlag. Die Filmstiftung will erst im Sommer über einen
Zuschuss zum Bad Lippspringer Kino entscheiden. Da Frank Becker die für den 4. Juni
geplante Premiere im dann umgebauten Hörsaal nicht gefährden will, wird der Film-Freak die erwarteten 9000 Euro zunächst selbst investieren.

God bye, Lenin!4. Juni 2003: Mit der deutschen Tragikkomödie „Good Bye, Lenin!“ beginnt in Bad
Lippspringe das neue Kinozeitalter. Nach den Kurbad-Lichtspielen(1918 -1923?), dem Union-Theater (1919 -1924), den Kurlichtspielen (1925 bis 1951) und dem Parktheater (1952 bis 1973) heißt es am 4. Juni 2003 in Odins Filmtheater „Film ab“. Als kleines Bonbon für alle Besucher gibt es künftig mit der Wochenschau „Blick in die Welt“ immer einen  Vorfilm. In seiner Begrüßungsrede dankt Bürgermeister Willi Schmidt besonders den

DSCF0010Initiatoren Frank Becker (Kinobetreiber aus Brackwede), dem Medizinischen Zentrum für Gesundheit (MZG) als Hausherr, Erika Grobbel (Vorsitzende des Kulturausschusses) und Jörg Ostermann als Verantwortlicher der Stadt Bad Lippspringe. Schmidt fordert außerdem seine Bürger auf: „Rennen Sie nicht mehr nach Paderborn. Warten Sie vier bis sechs Wochen und sehen Sie sich die Kinofilme bei uns zum halben Preis an.“

Juni 2003: Die Filmförderungsanstalt Berlin streicht ein fest eingeplantes Darlehen in Höhe von 15.000 Euro für die Ersteinrichtung. Das Klein-Kino bietet aus Sicht der Berliner keine Strukturverbesserung, weil lediglich zwei Kinovorführungen pro Woche erfolgen. Außerdem existiere in unmittelbarer Nähe in Paderborn ein ausreichendes Kinoangebot. Bürgermeister Willi Schmidt schickt ein Protestschreiben in die Bundeshauptstadt und erinnert daran, dass die Badestadt mit 15.000 Einwohnern und 300.000 Übernachtungen ein Kino vor der Haustür wünsche. Ein Beleg seien die 330 Besucher in der Startwoche. Es sei bedauerlich, dass die Filmförderungsanstalt den ländlichen Raum ausnehme und lieber zentral orientierte Fördermittel vergebe. Die Entscheidung sei deshalb nicht nachzuvollziehen. Kinobetreiber Frank Becker sieht das Projekt zwar nicht bedroht, ist aber auch verärgert: „Es sieht jetzt wirtschaftlich deutlich schlechter aus.“ Nun ruhen die Hoffnungen auf die NRWLandesregierung. Dort wurden 9000 Euro Fördermittel beantragt.

Juli 2003: Vom Bund gibt es nichts, aber vom Land: Die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
bewilligt die erhoffte Förderung in Höhe von 9000 Euro.

19. November 2003: Fünf Monate nach dem Kinostart kann Fachbereichsleiter Jörg Ostermann im Kulturausschuss erfreuliche Zahlen nennen: 1200 Kino-Fans haben Odins
Filmtheater schon besucht. Sie schätzen die Vorzüge wie eine gute Erreichbarkeit, die
gemütliche Atmosphäre und die großen Filme zum kleinen Preis. Mit Lisa Klausfering wird die 1111. Besucherin besonders begrüßt und mit zwei Freikarten überrascht.

12. Mai 2004: Der Kinobetrieb hat begonnen, Schaukästen und Flyer werben für die Aufführungen mittwochs und freitags zunächst um 20.00 Uhr. Später wird die Anfangszeit auf 19.30 vorverlegt. Das Foto zeigt Filmfreund Reinhold Romswinkel, der die Kinoarbeit mehr als zehn Jahr fotografisch begleitete und wesentlich zur Bebilderung dieser Internetseiten beigetragen hat.

4. Juni 2004: Die Bilanz nach einem Jahr fällt durchweg positiv aus. Die ersten 120
Vorstellungen sind Dank der ehrenamtlichen Mitarbeiter reibungslos verlaufen. Mehr als
3000 Besucher lassen sich den Kinospaß am Arminiuspark nicht nehmen, etliche
Sondervorstellungen für Schulen sind noch gar nicht mitgezählt. Rund 30 Mitarbeiter zählen die Kinofreunde nun, die sich im vierwöchigen Rhythmus, immer mittwochs und freitags, um den reibungslosen Ablauf kümmern.

Foto: Romswinkel

Hier im Bild die Filmfreunde der ersten Stunde von links nach rechts: Maike Stahl, Elisabeth Bahners, Silke Kissenbeck, Monika Stappert, Ulrike Krewet, Gerda Fieseler, Markus Dammann, Gisela Rehländer, Ingeborg Schnecke, Helena Jakob, Heinz Schumann, Ursula Bartscher-Schäfer, Hans Tillmann-Jöring,  Hans Schwamborn, Herr Bartscher-Schäfer, Reinhold Romswinkel, Ottokar Fischer, Hartmut Tendies, Ulrich Appelt und  Elisabeth Streitbörger.

Dezember 2004: Nach gut 18 Monaten gibt es die ersten personellen Wechsel. Henning
Gauterin löst zum 1. Januar 2005 Hartmut Tendies als Leiter der Kinogruppe ab, der aus
beruflichen Gründen auf eine weitere Amtszeit verzichtet hat. Heinz Schumann wird als
Verantwortlicher für die Süße Ecke Nachfolger von Klaus Wiegel.

Januar 2005: Bad Lippspringe hat jetzt auch den ersten Oscar-Preisträger. Heinz Schumann wird von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe als bester Filmvorführer ausgezeichnet. Für eine Überraschung sorgt auch Frank Becker. Er überbringt die offizielle Förderplakette der Filmstiftung. „Jetzt haben wir auch schriftlich, dass Odins Filmtheater keine Flimmerkiste, sondern ein richtiges Kino ist“, freute sich der Leiter Henning Gauterin. Mit 2878 Zuschauern (Minus 70) in 2004 sind die mittlerweile 34 Helfer nicht ganz zufrieden, sie hoffen künftig auf mehr als 30 Besucher pro Vorstellung. Mit 314 Besuchern ist der Spielfilm über den Kirchenreformator Martin Luther der Kassenknüller des Jahres.

September 2005: Odins Filmtheater beteiligt sich mit einem Stand am Bürgerfest. Die Besucher mussten schätzen, wie viele Bilder auf einer präparierten Filmspule zu sehen waren. Es sind 2267. Sieger Olaf Gröbel aus Schlangen schätzt 1959, ist damit ganz nah dran und erhält zwei Kinokarten.

Dezember 2005: Helmut Schwager aus Bad Lippspringe will nur seine Frau zum Kino fahren, entschließt sich dann doch selbst zum Besuch und wird als 6666. Kinobesucher begrüßt und beschenkt: mit vier Kinogutscheinen, Gläsern und, passend zur Schnapszahl, mit einer Flasche Arminiusbitter. Zum 1. Januar 2006 gibt es erneut einen Wechsel an der Führungsspitze des Kinovereins: Ottokar Fischer löst Henning Gauterin ab.

Januar 2006: Zwei Frauen stehen beim Neujahrsempfang im Mittelpunkt. Monika Stappert (Beste Hauptdarstellerin) und Gisela Rehlaender (Beste Regie) werden von Ottokar Fischer mit dem „Odin-Oscar“ ausgezeichnet. Die beiden hatten während des Bürgerfestes den Filmverein einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Außerdem zeigt sich Gisela Rehlaender seit der Gründung der Arbeitsgruppe für die Dekoration verantwortlich. Die Besucherzahlen sind dagegen leider weiter rückläufig. Nach 2878 im Jahr 2004 gab es 2005 nur noch 2137 Kinogänger. Am deutschen Drama „Die weiße Massai“ liegt es aber nicht: Zwei restlos ausverkaufte Vorstellungen mit 210 Zuschauern sorgen für Platz eins.

24. Juni 2006: Über viele Jahre finden die SommDSCF0017erfeste der Kinofreunde meist  im Juni am Angelteich statt. Die  in vier Teams organisierten Filmfreunde finden hier zusammen und frönen der Gemütlichkeit. Das Foto links  zeigt Ottokar Fischer und Hans Schwamborn am Grill. Film- und Fotofreund Reinhold Romswinkel hat immer seine Kamera dabei . Das hält viele Erinnerungen wach.

2. Dezember 2006: Eine ganz besondere Sondervorführung läuft im Klein-Kino. Die Bad

Bürgermeister Willi Schmidt (Mitte) und Ratsherr Heinz Schmidt. Foto: Romswinkel
Bürgermeister Willi Schmidt (Mitte) und Ratsherr Heinz Schmidt. Foto: Romswinkel

Lippspringer Filmfreude sind Gast in ihrem eigenen  Filmtheater. Die vertauschten Rollen gibt es auf Einladung von Bürgermeister Willi Schmidt. Der hatte die Kinofreunde beim Stadtfest den Gruppenpreis „Wir gewinnt“ für vorbildliche ehrenamtliche Leistungen verliehen.  Schmidt und die Mitglieder seiner Jury, wie die stellvertretenden Bürgermeister Uli Lange und Heinrich Schmidt sowie  die Kulturausschussvorsitzende Erika Grobbel, übernehmen an einem Filmabend den kompletten Service und die Betreuung.

Januar 2007: Thomas Wüseke wird als 10.000. Besucher in Odins Filmtheater geehrt. Fünf
Kinogutscheine und ein Essen für zwei Personen in einem Bad Lippspringer Lokal – der Stammgast im Klein-Kino am Arminiuspark wird diesen Abend so schnell nicht vergessen. „Tolle Atmosphäre, schöner Raum und ein insgesamt familienfreundliches Kino direkt vor der Haustür – mehr geht eigentlich nicht“ lobt Wüseke das Lichtspielhaus im Lippe-Institut.

Februar 2007: Das Kino feiert ein Rekordjahr. Mit 3218 Besuchern geht 2006 mit den  erfolgreichsten zwölf Monaten in die noch junge Vereinsgeschichte ein. Nie wieder sollte es bis zur Digitalisierung 2014  noch einmal so viele Kinogänger geben. Die meisten Kinofans lockt „Der Teufel trägt Prada“ mit 168 Zuschauern an. Passend zum Rekordjahr schwappt auch gleich eine Ehrungs-Flut über Odin: Mit Manuela Fischer (Protokollführerin), Helena Jakob (Nachwuchspreis) und Matthias Reichstein (Öffentlichkeitsarbeit) gibt’s gleich drei Mitglieder die den „Odin-Oscar“ bekommen.

Dezember 2007: Auch 2007 endet mit 2500 Besuchern noch zufriedenstellend. Ein deutsches Drama liegt diesmal an der Spitze der Zuschauergunst: „Das Leben der Anderen“ wollen 211 Filmfans sehen. Die schon traditionelle Oscar-Verleihung endet mit einer kleinen Überraschung: Neben Silke Kissenbeck („Fleißigste aus der Süßen Ecke“) wird auch der Leiter der Kinogruppe ins Rampenlicht gerückt: Ottokar Fischer wird als „Bester Film-Manager“ geehrt.

2008: Die Digitalisierung großer Kinocenter in Deutschland beginnt. Die Filmproduzenten liefern fortan neue  Filme sowohl auf Filmrollen in Zelluloid als auch auf Speichermedien in  verschlüsselter Form. Odins-Betreiber Frank Becker hält am alten Standard fest, auch weil er für die Zukunft auf seinen Filmschatz, ein Sammlung mit inzwischen mehr als 10.000 Kopien  setzt.

Juni 2008: Rund 650 Vorstellungen mit knapp 15.000 Kino-Kunden: Die Bilanz nach fünf Jahren Kino in der Kurstadt kann sich sehen lassen. Das Konzept ist allerdings auch durchdacht: Mit einer Verzögerung von nur sechs bis acht Wochen laufen in Odins-Filmtheater immer mittwochs und freitags die aktuellen Kino-Knaller, zwischendurch auch immer wieder Kino-Klassiker – und alles zum kleinen Preis.

Dezember 2008: Im ersten Jubiläumsjahr gehen auch die Zuschauerzahlen wieder nach oben: 2850 Kinofreunde kommen in den Hörsaal des Lippe-Instituts am Arminiuspark. Damit hat sich Odins Filmtheater im fünften Jahr endgültig etabliert. Die Musical-Komödie „Mamma Mia“ stürmt mit 241 Besuchern die Charts in Bad Lippspringe. Den „Odin-Oscar“ bekommt diesmal Hans Tillmann-Jöring, der als „Bester Gruppenführer“ ausgezeichnet wird.

Januar 2009: Jetzt hat der 15.000. Besucher auch offiziell die Kino-Karte gelöst. Die Neu-Bad Lippspringerin Bettina Schulz-Schaper ist die Jubiläumsbesucherin und wird mit vier Kinokarten und einem Fläschchen Arminius-Bitter überrascht.

Januar 2010: Beim Neujahrsempfang kann der Kinoverein zum zweiten Mal in Folge steigende Besucherzahlen vermelden. 2009 werden 3135 Kinogänger verzeichnet und damit noch einmal zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Publikumsmagnet ist „Die Buddenbrocks“. Das Familiendrama wollen 155 Kinofans sehen. Stolz blickt der Verein auch auf Kino-Mitbegründer Frank Becker. Er wird von NRW-Ministerpräsident Jürgen
Rüttgers (CDU) mit dem Ehrenpreis für Kultur geehrt. Diese Auszeichnung ist mit 2000 Euro dotiert, einen feinen Preis gibt es auch für die „Seele des Kinos“, Monika Fischer: Sie erhält den „Odin-Oscar“.

September 2010: Der 20.000. Besucher ist ein Stammgast: Katrin Streib wird mit zwei Fläschchen Sekt und fünf Kinokarten überrascht. „Welche Kleinstadt hat noch ein Kino vor Ort. Ich genieße die kurzen Wege und spare mir die Fahrt nach Paderborn“, sagt der Jubiläumsgast.

Februar 2011: Bundesweit gehen die Besucherzahlen um 25 Prozent zurück, auch für Odins-Filmtheater ist 2010 ein schweres Jahr. Mit 16 Prozent Rückgang bei 2600 Kinogängern fällt die Bilanz aber noch ausreichend aus. Ein kleiner Lichtblick: Immer mehr Kurgäste nutzen das Kino. Das Historiendrama „Die Päpstin“ lockt mit 228 Besuchern die meisten Filmfans. Henning Gauterin darf sich über den „Odin-Oscar“ freuen, er wird als „Größter Filmvorführer“ geehrt.

Februar 2012: Eine Trendwende gibt es auch 2011 nicht. Mit nur noch 2044 Besuchern erreicht das Klein-Kino sogar einen Tiefpunkt. Auch bundesweit klagt die Branche erneut über sinkende Umsätze. Der Bielefelder Cineast Frank Becker, als Filmlieferant Kooperationspartner der Bad Lippspringer Kinofreunde, macht deutlich: „Letztlich sind wir von der Qualität abhängig. Je besser der Film, desto mehr Leute kommen wieder ins Kino.“ Das belegt auch der Zuschauermagnet des Jahres: „The King’s Speech“, eine Filmbiographie über den britischen König Georg VI und mit vier Oscars prämiert, ist mit 134 Besuchern die Nummer 1. Freuen darf sich aber Hans Schwamborn. Das Gründungsmitglied erhält für sein besonders großes ehrenamtliches Engagement den „Odin-Oscar“.

Februar 2013: Das Jubel-Jahr 2013 beginnt mit einer neuen Bestmarke: Ratsherr Jürgen Nölken wird als 25.000. Besucher begrüßt. Die Zuschauerzahlen sind 2012 in Odins Filmtheater mit 2109 Kinogängern wieder leicht angestiegen. Kassenschlager ist die französische Komödie „Ziemlich beste Freunde“.

04. Juni 2013: Odins feiert zehnjähriges Bestehen. Zum Jubiläum läuft der gleiche Film, mit dem 2003 der Filmbetreib aufgenommen wurde: „Good Bey Lenin!“. Bei einem Empfang im Lippe-Institut mit Vertretern des Rates und der Stadtverwaltung erklärt Frank Becker, dass die Beschaffung analoger Filme schwierig wird.

Das Foto Nummer eins von Reinhold Romswinkel zeigt von links nach rechts  den stellvertretendern Bürgermeister Martin Schulte, Kulturpolitikerin Erika Grobbel (CDU), Frank Becker und Karl  Grobbel.

31. Dezember 2013: Das analoge Zeitalter ist zuende. Die großen Filmstudios stellen den Vertrieb von  analogen Filmrollen ein. Fortan gibt es Neustarts nur noch in digitaler Form. Die Kinofreunde in Bad Lippspringe hoffen, mit älteren Streifen aus dem Archiv Becker weitermachen zu können. Außerdem heißt es, kleinere Produzenten und insbesondere die  Filmindustrie in Frankreich  produziere ihre   in Deutschland und besonders im Odins erfolgreichen Komödien weiter in analoger Form. Die Hoffnung soll sich schnell als Trugschluss erweisen. Schon in den ersten Wochen des neuen Jahres gehen die Zuschauerzahlen deutlich  zurück.

03. Juni 2014: Krisensitzung im Lippe-Institut. Etwa 60 Filmfreunde aus Bad Lippspringe, Ratsmitglieder und interessierte Bürger suchen einen Ausweg.  Der Wille zum Umstellen auf die neue Technik ist da, aber die Probleme sind groß. Aus der Politik kommt der dringende Rat, einen eingetragenen Verein und damit eine juristische Person für den Neustart zu gründen. Das löst noch nicht  das Finanzproblem. Die Kosten werden auf knapp 60.000 Euro geschätzt. Angesicht von wenigen 100 Euro in der Clubkasse scheint die Hürde unüberwindbar, auch wenn Hoffnung auf eine 30-prozentige Bezuschussung aus Detmold besteht. Mitten in der Diskussion erklärt der Bad Lippspringer Unternehmer Heinfried Watermann er sei bereit, eine namhaften vierstelligen Betrag beizusteuern. Später stellte sich heraus, dass damit die Wende eingeleitet wurde, es hatte nur niemand bemerkt.
Die Anwesenden fassen einen Gründungsbeschluss.

Juli 2014: Am 4. Juli 2014  läuft der letzte analoge  Film im Lippe-Institut. Der Haupt- und  Finanzausschuss des Rates der Stadt hatte zuvor  der außerordentlichen Kündigung von  Kinobetreiber Frank Becker entsprochen.  Mit der  Vertragsauflösung  macht Becker den Weg frei für einen neuen Trägerverein. Er selbst lehnt die Digitalisierung der drei von ihm bis dahin geführten Spielstätten in Bielefeld-Brackwede, in Schloß Holte-Stukenbrock und in Bad Lippspringe aus Kostengründen ab.

14.07.2014: Das neuerliche Ende der Kinotradition in Bad Lippspringe wird in Politik und Medien bedauert. Wahrlich filmreife Worte schreibt der Journalist Birger Berbüsse in „Paderborn am Sonntag“. Siehe auch auf der Presse-Seite: „Von seinem Thron Hlidskialf aus, so berichten die Legenden der nordischen Mythologie, kann der Gott Odin alles sehen, was sich derzeit in der Welt ereignet. Nichts mehr zu sehen gibt es hingegen für die Bad Lippspringer in dem nach Odin benannten Filmtheater. Die Leinwand bleibt weiß…“

13.08.2014: Gründungs- und erste Mitgliederversammlung des Vereins  Odins-Filmtheater. Ein Satzungsentwurf  liegt zur Beratung vor. 24 Personen treten dem neuen Verein bei. Der neue Vorstand wird gebildet von Ottokar Fischer (Vorsitzender), Reinhard Brockmann (Stellvertreter), Manuela Fischer (Schatzmeisterin) , Monika Stappert (Schriftführerin) und den Beisitzern Monika Fischer und Hans Schwamborn. Kassenprüfer im ersten Jahr sind Ulrike Krewet und Klaus Böning. Aus dem Club der „Filmfreunde Bad Lippspringe“ wird per Eintragung am Amtsgericht Paderborn  „Odins-Filmtheater Bad Lippspringe e.V“.

Foto: Manfred Friedrich

Es folgen arbeitsreiche Monate, in denen private Spenden eingeworben und die öffentliche Förderung beantragt werden. Aus der Bürgerschaft kommen Einzelspenden in Höhe von 50 bis 4000 Euro zusammen. Andere Bürger treten dem Verein als fördernde Mitglieder bei. Sie  zahlen meist freiwillig mehr als den Mindesjahresbeitrag von 24 Euro.
Die Beantragung und Auszahlung öffentlicher Gelder sowohl aus europäischen Kassen über Land und Bezirksregierung Bezirksregierung sowie  aus der Filmförderung des Bundes gestaltet sich ungleich komplizierter und zieht sich über Monate  der Ungewissheit hin. Das Wunschziel, den digitalen Neustart mit einem Weihnachtsfilm 2014 zu vollziehen, wird deshalb verfehlt.  In dieser Phase leistet der Paderborner SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert mit seinem Berliner Büro und seinen Kontakten wichtige Unterstützung.

15. April 2015: Odins-Filmtheater e.V. Bad Lippspringe startet neu  ins digitale Zeitalter. Das Odins kombiniert den neuesten Stand der  Technik und ein aktuelles Programm. Es zeigt  große  Kinofilme, die meist noch nicht als DVD  oder im Pay-TV zu sehen sind.

2016: Odins-Filmtheater wird erster Träger des neuen Bad Lippspringe Kulturpreises. Ein Auswahlgremium des Kulturausschusses  hat uns vorgeschlagen, der Rat der Stadt ist diesem Votum gefolgt. Die Auszeichnung ist verbunden mit einem Preisgeld von 500 Euro. „Wir sind sehr dankbar für diese Unterstützung“, sagte Odins-Vorsitzender Ottokar Fischer bei der Überreichung der Auszeichnung durch Bürgermeister Andreas Bee. Fischer: „Vor allem freuen wir uns, dass unsere gesamte Arbeit so große Anerkennung bekommt.“

29. 09.  2022: Odins Filmtheater gewinnt einen mit 6000 Euro dotierten Hauptpreis im Wettbewerb um den “WWKULTURPREIS22”, der vom Versorger Westfalen-Weser ausgeschrieben Woden war. Mehr als 100 Städte und Gemeinden konnten Kulturschaffende für den Wettbewerb nominieren, neun von Gemeldeten Vereinen und Initiativn  kamen in die letzte Runde. Am 29. September 2022 wurden den neun Endrundenteilnehmern im Kurtheater Bad Meinberg  je ein Hauptpreis von 3.000 bis 10.000 Euro überreicht. Die übrigen Nominierten durften sich als zweite Sieger fühlen und trugen ebenfalls Preise davon. Die Auswahl traf eine hochkarätig besetzte Jury.

Odins Filmtheater wurde ausdrücklich als „kulturelles Aushängeschild der Region“ gewürdigt. „Der Verein zeigt nicht einfach nur Filme“, so die Jury, sondern bietet das gesamte Gemeinschaftserlebnis „Kino“. Damit habe der Verein es geschafft, „wieder einen regelmäßigen Kinobetrieb in die Stadt zurückzuholen.“ Und sie hebt das „umfassende Engagement zahlreicher ehrenamtlicher Mitglieder, die als Filmvorführer arbeiten, an der Kasse Eintrittskarten verkaufen oder die Gäste mit kleinen Leckereien und Getränken versorgen“, hervor. Für die Jury stehe fest: „Ehrenamt funktioniert nicht ohne Leidenschaft, und diese pflegt man hier nicht nur für den Film, sondern auch und gerade für das Kino. Damit schafft der Verein seit fast zwei Jahrzehnten eine solide Insel in der schmelzenden Kinolandschaft.“ 

„Die Fülle und Bandbreite der Kulturangebote und Kulturschaffenden, die von ihren Kommunen für den Wettbewerb vorgeschlagen wurden, hat uns völlig begeistert“, freute sich Jürgen Noch, Geschäftsführer Westfalen Weser Energie, bei der Preisverleihung. „Wir sind immer noch überwältigt von der großartigen Resonanz auf unseren neuen WWKULTURPREIS22!“ Das rein kommunale Unternehmen möchte mit dem Wettbewerb dazu beitragen, der Kulturszene in der Region nachhaltig neuen Schwung zu geben, der auch über die kommenden Jahre trägt.