Mystische Orte – Mörderische Geschichten

Der Bad Lippspringer Filmemacher Peter Schanz spürt mit mehr als 50 Komparsen und Helfern heimischen Sagen und Legenden nach. Ein sehenswertes Stück Heimatgeschichte.

„Das ist Hitchcock pur“, schwärmt Peter Schanz (73), wenn er über den Messerkerl-Mord von 1752 spricht. Ein Dutzend historische Tatorte und Sagen aus Ostwestfalen-Lippe fügt der professionelle Filmemacher gerade zu einem abendfüllenden Kinostreifen zusammen. Im November ist Premiere für „Mystische Orte – Mörderische Geschichten. Spurensuche in Ostwestfalen-Lippe“.

Rast in der Egge, wo der Messerkerl 1752 einen grausigen Tod fand. Ein Wegelagerer soll ihm flüssiges Zinn in den Mund gegossen haben. Herbert Gruber und Michael Vockel-Böhner, die durch den Film führen, lassen sich ein Bier schmecken.

Noch heute erinnert ein düsteres, halbzerbrochenes Wegekreuz zwischen Altenbeken und Bad Lippspringe an den fahrenden Messer- und Hauswarenhändler Albert Meijer. Der Münsterländer hatte in Paderborn gute Geschäfte gemacht. Ein am Wegesrand versteckter Baldowerer witterte fette Beute, als Meijer auf der 400 Meter hohen Voregge sein Nachtlager aufschlug. Flüssiges Zinn soll der Raubmörder seinem Opfer in den Rachen gegossen haben. Nach wenigen Schritten tritt er selbst in ein ausgelegtes Fußeisen, um nach einem teuflischen Veitstanz tot zusammenzubrechen.

„Keine Sage ohne Moral von der Geschicht'“, sagt Anke Schanz (54). Sie leitet mit ihrem Mann die Produktion, kleidet und dirigiert ein Heer von 50 Komparsen sowie Helfern und versucht die Gesamtkosten des Low-Budget-Films unter 40.000 Euro zu halten. Auf der Bildreise vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal und von den alten Windmühlen im Norden bis zum Desenberg im Süden bei Warburg finden sich, so Peter Schanz, „mystische Orte und Schauplätze grausiger Freveltaten in Hülle und Fülle.“ Ein Drache soll den erloschenen Vulkan über der Warburger Börde solange bewohnt haben, bis ein listenreicher Ritter mit drei Spiegeln auf seinem Schild das Monster besiegte – und das westfälische Geschlecht derer von Spiegel begründete.

Die Paderborner Geisterprozession als schwarz-weiße Spielszene. Filmkomparsen sind die traditionsreichen Träger des Liborischreins, den nur sie dürfen die Originalrequisite tragen.

Schanz hebt mit dem Film „einen großen Sagenschatz dicht vor unserer Haustür“. Und schon kommt er voller Begeisterung auf eine der fünf wichtigsten Paderborner Erzählungen zu sprechen. Denn auch hinter dem Dom ruht am Grunde eines Brunnens angeblich ein sagenhafter Schatz. Die zugehörige „Paderborner Geisterprozession“ hat Schanz gerade abgedreht. Seine Komparsen sind im richtigen Leben die traditionsreichen Träger des Liborischreins, der im Film als Originalrequisite dabei ist. Bereits mehrere Produktionen rund um die Bischofskirche öffneten dem Filmemacher manch verschlossene Tür.

Weitere Motive sind die Hexen von Barntrup mit Lemgos Hexenbürgermeisterhaus, die Hermanns-Denkmal mit originalgetreu gerüsteten römischen Legionären sowie das Grab von Sachsen-Herzog Widukind in der Stiftskirche von Enger. Schanz: „Anhand des martialischen Reiterdenkmals in Herford würdigen wir auch die heroische Gegenwehr der Sachsen während der Christianisierungs-Kriege der Franken“. Dabei fehlt nicht, wie Karl der Große zuerst die sagenhafte Irminsul vernichtete. Das germanische Heiligtum — vermutlich bei Bad Driburg – wird ein Raub der Flammen – gedreht bei einem Osterfeuer in diesem Jahr.

Trunkenbolde mussten den „Bachstüpp“ im östlichen Westfalen fürchten. Die Sagengestalt lauerte späten Zechern auf und prügelte sie angeblich zur Vernunft.

Die aufwändigen in schwarz-weiß gezeigten Spielszenen etwa vom „Bachstüpp“, der die Trunkenbolde prügelt, sind eingebettet in farbenprächtige Landschafts- und Naturaufnahmen. Herbert Gruber und Michael Vockel-Böhner führen als Schlaumeier und Skeptiker durch den Film. Die zwei Laiendarsteller sind den Zuschauern aus Schanz‘ letztem Kinostreifen über den Wildschütz Klostermann bekannt.

Der junge Mönch Marcword findet eine den Tod verheißende „Lilie von Corvey“ auf seinem Chorstuhl. Kurzerhand legt er sie auf den Sitz des alten Bruders Weribald.

Die Legende um die weiße Lilie von Corvey, von den Brüdern Grimm in den deutschen Sagenschatz aufgenommen, ist zweifellos ein Höhepunkt der Produktion. Die prächtige Blüte soll, so erzählt eine Ballade von Gisbert von Vincke, den Tod eines Mönches drei Tage vor dessen Ableben ankündigen. Als ausgerechnet Novize Marcword von Spiegel die Blume auf seinem Chorstuhl findet, schiebt er sie kurzerhand auf den Sitz des hochbetagten Bruders Weribald. Der Alte erleidet zwar einen Schwächeanfall, aber am Ende stirbt der junge Mönch trotzdem. Anke Schanz: „Das lehren uns die Mythen und Legenden unserer Vorfahren: Gott pfuscht niemand ins Handwerk.“